Themen der aktuellen Ausgabe
Bosse
„Alle haben Hoffnung“
Bosse über all die Träume und sein eigenes, traumloses Glücklichsein.
von Thomas König
Antje Schomaker
Köstlich, köstlich!
Pop mit Nährwert: Antje Schomaker serviert uns mehr als nur Snacks.
von Christian K. L. Fischer
Die Zöllner
Fluchthelfer und Versöhner
Mit dem Album „Portugal“ reisen Die Zöllner polarisierend in die Utopie.
von Torsten Wahl
Die Zöllner
Fluchthelfer und Versöhner
Mit dem Album „Portugal“ reisen Die Zöllner polarisierend in
die Utopie.
von Torsten Wahl
Auf dem Album-Cover von „Portugal“ sitzt ein bärtiger Seebär mit Kapitänsmütze in einem Fischerdorf am Atlantik. Das erste Stück „Misst“ beginnt als Schunkel-Shanty über einen Mann, der sich in eine Frau verliebt, die aber Frauen liebt. Sind Die Zöllner etwa zu singenden Seefahrern geworden, getrieben von Fernweh und Meeresromantik? Schippern sie im Fahrwasser von Keimzeit, die es einst in Gedanken bis nach Singapur und nach Feuerland verschlug?
Bandleader Dirk Zöllner wohnt mit seiner Familie an der Dahme, kurz vor der Mündung in die Spree, und er besitzt sogar selbst ein Boot. Er gibt zu, dass der Textautor Jürgen Gutsch, von dem die Vorlage zu „Misst“ und zum Song „Sie lacht und schwingt“ stammt, tatsächlich eine Vorliebe für maritime Themen hat. Doch auf das Album habe das keinen Einfluss gehabt: „Unser Portugal steht für einen Ort der Träume – in Europa so weit gen Westen wie es nur geht.“ Seine Fluchtgedanken hatte er schon in seinem Newsletter im Frühjahr aufgeschrieben, als er davon schwärmte, wie körperlich und sinnlich die Musik am Atlantik sei – und wie weit weg vom Krieg.
Die Textidee vom Titelsong, der mit dem Refrain endet: „Hier ist es zu kalt und viel zu schnell, doch wir könnten nach Portugal fliehn!“, kam aber von einem befreundeten Dichter. Andreas Hähle hatte vor einigen Jahren eine Art Requiem für einen verbitterten Leipziger Wendehelden geschrieben. „Der hatte 1989 die DDR mit abgeschafft und wollte nun Deutschland abschaffen!“, fasst Dirk Zöllner zusammen. Im Jahr 2019 verstarb dann Andreas Hähle. Dirk Zöllner hatte immer gern mit ihm kooperiert und will mit dem Weiterspinnen des Textes den Tod des Freundes ignorieren. Er holte die Idee nach Berlin und begegnet im Songtext nun einem Paul, der zu Demonstrationen „gegen die Führung“ aufruft. Damit meint Paul: „Die Einheitspartei! Jamaica, Ampel oder wie die grad heißen! Dieser ganze rotgrüne Brei!“ Obwohl dieser Song eine Art Rollenspiel ist und Dirk Zöllner hier eine andere Person reden lässt, thematisiert das Stück nicht nur die gesellschaftliche Polarisierung, sondern polarisiert sogar innerhalb der Band. „Vor allem die im Westen sozialisierten Kollegen haben ein Problem damit“, erläutert Zöllner. „Die Musiker aus dem Osten sehen es lockerer, sie kennen ja Abgehängte wie Paul.“ Der Musiker hält einen gesellschaftlichen Neuansatz statt der Spaltungen für möglich, ja für nötig.
Lesen Sie mehr in SCHALL. Nr. 32 (Herbst 2023).
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